Sensomotorische Amnesie – wenn der Körper das Loslassen „vergisst“

Haben Sie den Begriff sensomotorische Amnesie schon einmal gehört? Zugegeben, er klingt zunächst beunruhigend – fast nach einer ernsten Krankheit. Doch keine Sorge: Dahinter steckt kein gefährlicher Befund, sondern ein sehr häufiges, harmloses und doch oft folgenschweres Phänomen. In meiner Praxis begegne ich ihm täglich, denn es kann die Ursache vieler körperlicher Beschwerden sein.

Lassen Sie uns gemeinsam anschauen, was genau dahintersteckt – und wie Sie Ihren Körper dabei unterstützen können, das „Vergessene“ wieder zu lernen.

Was bedeutet eigentlich „Amnesie“?

Der Begriff Amnesie beschreibt allgemein einen Verlust des Gedächtnisses – also das Nicht-mehr-Erinnern-Können von Erlebnissen oder Informationen.
Der amerikanische Neurobiologe Thomas Hanna prägte in diesem Zusammenhang den Begriff der sensomotorischen Amnesie.

„Sensomotorisch“ setzt sich aus zwei Teilen zusammen:

  • Sensorik – das Fühlen, Spüren, Wahrnehmen

  • Motorik – das Bewegen

Eine sensomotorische Amnesie bedeutet also: Das Gehirn hat teilweise „vergessen“, wie sich bestimmte Bewegungen oder Körperzustände anfühlen – oder wie man sie bewusst steuern kann.

Wie entsteht eine sensomotorische Amnesie?

Unser Gehirn steht in ständigem Kontakt mit Muskeln und Gelenken. Es erhält permanent Informationen darüber, in welcher Position sich unser Körper befindet und wie stark ein Muskel angespannt ist.

Wenn wir uns regelmäßig bewegen, bleibt diese Verbindung lebendig und fein abgestimmt. Doch wenn Bewegung über längere Zeit fehlt – zum Beispiel durch ständiges Sitzen oder einseitige Haltungen – kann diese Kommunikation nach und nach „einschlafen“.

Ein Beispiel:
Der Trapezmuskel (Nacken-Schultermuskel) arbeitet immer mit, wenn wir den Arm heben, die Schultern kreisen oder etwas tragen. Sitzen wir jedoch lange in derselben Position – etwa am Schreibtisch – und ziehen dabei unbewusst die Schultern leicht nach oben, bleibt dieser Muskel dauerhaft in Spannung.

Das Gehirn bekommt immer weniger Rückmeldung über die tatsächliche Bewegung. Irgendwann „vergisst“ es, dass der Muskel sich überhaupt entspannen kann. Dieser angespannte Zustand wird zum neuen Normalzustand.
Das Ergebnis: Wir können die Schultern nicht mehr einfach locker lassen, selbst wenn wir es bewusst versuchen.

Welche Auswirkungen kann das haben?

Zunächst verursacht eine sensomotorische Amnesie meist keine spürbaren Probleme. Der Körper kompensiert erstaunlich viel. Doch irgendwann reicht eine Kleinigkeit – ein Umzug, Gartenarbeit oder sogar ein Infekt – und das Fass läuft über. Der Nacken schmerzt, die Schultern sind hart, Bewegungen fühlen sich eingeschränkt an.

Dann merken wir: Der Wille allein („Ich entspanne jetzt!“) reicht nicht mehr aus. Das Gehirn hat den Zugang zum Muskel teilweise verloren.

Gute Nachrichten: Man kann sie wieder auflösen

Das Schöne ist: Unser Gehirn bleibt ein Leben lang lernfähig. Mit gezielten Übungen und manuellen Techniken lässt sich die Verbindung zwischen Muskel und Gehirn wieder aktivieren.

Besonders hilfreich sind dabei die von Thomas Hanna entwickelten Pandiculations. Dabei wird ein Muskel zunächst bewusst angespannt und anschließend ganz langsam und achtsam wieder entspannt. Durch diese bewusste Bewegung lernt das Gehirn erneut, wie sich „Anspannung“ und „Loslassen“ anfühlen.
Nach einigen Wiederholungen werden Bewegungen wieder fließender, leichter und natürlicher.

Oft unterstützen zusätzlich sanfte manuelle Behandlungen, um verhärtetes Gewebe zu lösen und die Wahrnehmung zu schulen.

Der Schlüssel: Achtsamkeit für den eigenen Körper

Das wichtigste Element bei jeder Veränderung ist die Aufmerksamkeit.
Nur was wir wahrnehmen, können wir auch verändern. Wenn wir beginnen, wieder in den Körper hineinzuspüren, können wir die Signale besser deuten – und die Haltungen oder Bewegungsmuster erkennen, die zu Verspannungen geführt haben.

Dieser Lernprozess braucht Zeit, aber er lohnt sich. Denn er führt zu mehr Leichtigkeit, Beweglichkeit und einem neuen, bewussteren Körpergefühl.

Möchten Sie Ihren Körper neu entdecken?

Wenn Sie spüren, dass bestimmte Muskeln „wie vergessen“ wirken oder Sie immer wieder unter Verspannungen leiden, begleite ich Sie gerne dabei, wieder einen neuen Zugang zu Ihrem Körper zu finden.
Gemeinsam können wir Wege erarbeiten, wie Sie Ihre Beweglichkeit zurückgewinnen – achtsam, wirksam und nachhaltig.

👉 Nehmen Sie gerne Kontakt auf, wenn Sie mehr darüber erfahren möchten.