Gibt es einen Zusammenhang zwischen chronischen Schmerzen und chronischem Sitzen?

In meine Praxis kommen viele Menschen, die schon seit Monaten oder Jahren mit Schmerzen leben müssen. Sie haben schon unzählige Arztbesuche hinter sich, ohne dass eine genaue Diagnose gefunden wurde oder Ihnen geholfen werden konnte. Sie sind frustriert, deprimiert und erschöpft. Denn Schmerzen kosten viel Kraft und Lebensfreude.

Wenn ich anfange, mit diesen Patienten zu arbeiten, schaue ich mir immer auch Ihre Haltung an. Da sie im Gespräch meistens vor mir sitzen, ist die Sitzhaltung das Erste, was ich zu sehen bekomme. Später schaue ich mir oft auch noch das Stehen und Gehen an. An dem, was ich hier zu sehen bekomme, kann ich oft schon gewisse Vermutungen aufstellen, an welchen Stellen im Körper ich später angespannte Muskulatur und Schmerzpunkte finden kann.

Denn unsere Körperhaltung im Alltag bestimmt maßgeblich den Spannungszustand unserer Muskulatur. Und umgekehrt wird der Spannungszustand unserer Muskulatur sichtbar in unserer Haltung.

In einer Studie der Deutschen Krankenversicherungen (DKV-Report 2021) findet man folgende Aussage:

„Noch nie wurde so viel gesessen wie in diesem Jahr: Die Deutschen verbringen werktags inzwischen im Schnitt 8,5 Stunden auf ihrem Allerwertesten – eine Stunde mehr als noch 2018. Junge Erwachsene (18 bis 29 Jahre) sind danach sogar „Sitzweltmeister“ mit 10,5 Stunden an Werktagen.“

Allein die Tatsache, dass wir täglich viele Stunden im Sitzen verbringen, lässt annehmen, dass sich unsere Muskulatur im Laufe der Zeit diesem Haltungsmuster anpasst. Wenn wir uns dann auch noch anschauen, in welchen teils sehr schiefen Positionen wir sitzen, wundert man sich manchmal, dass nicht noch viel mehr Menschen Schmerzen davon bekommen.

Einige Beschwerden, wie z.B. Rückenschmerzen oder Nackenverspannungen, sind heute allgemein anerkannt als Folgen von zu langem Sitzen. Dass allerdings auch Probleme im Bereich der Füße, des Beckens oder der Atmung auf Muskelverspannungen durch Sitzen zurückzuführen sein können, dürfte eher unbekannt sein.

Doch meiner Meinung nach ist nicht das Sitzen an sich das Problem, sondern die Länge der Zeit, in der wir in dieser Haltung verharren. Denn selbst, wer sich voller Motivation anfangs aufrecht und entspannt hinsetzt, wird nach spätestens einer Stunde ermüden und der Schwerkraft nachgeben. Sprich, der Rumpf sinkt ein, der Kopf wandert nach vorne, die Beine werden verknotet oder unter den Stuhl gezogen. All das führt in bestimmten Muskeln zu vermehrter Verkürzung oder Anspannung und damit möglicherweise zu Schmerzen oder anderen Problemen.

Deshalb ist es mir in meiner Praxis ein wichtiges Anliegen, mit Ihnen zu besprechen, wie Sie möglichst entspannt sitzen können und was Sie tun können, wenn die ersten Ermüdungserscheinungen auftreten. Selbstverständlich ist auch die Behandlung der schon verspannten Muskulatur ein wichtiger Baustein dafür, anschließend wieder leichter sitzen zu können und die vorhandenen Beschwerden in den Griff zu bekommen.

Gehören Sie auch zu den Vielsitzern und haben Rücken-, Nacken- oder andere Beschwerden?

Ich finde gerne mit Ihnen gemeinsam heraus, ob das Sitzen etwas mit Ihren Problemen zu tun hat und was Sie dagegen tun können.